Zwei Weltkriege und ihr Einfluss auf die Familie

Das der zweite Weltkrieg auch Einfluss auf meine eigene Familie hatte kannte ich schon aus einigen Erzählungen in meiner Kindheit. So sind meine Eltern beide in den Kriegsjahren geboren. Zudem hatte meine Großmutter manchmal erzählt, wie sie in die Keller geflüchtet sind, wenn in Hildesheim wieder Bombenalarm war. Wie dramatisch der Bombenangriff am 22. März 1945 für Stadt Hildesheim tatsächlich war, lässt sich heute nur annähernd erahnen. Bis zum Jahr 1945 wurde Hildesheim von Bombenangriffen so gut wie verschont. Dieses änderte sich sehr dramatisch mit einem Angriff am 13. Februar und dem verheerenden Angriff im März. Nach diesen Angriffen waren rund 75 Prozent aller Gebäude durch den Angriff zerstört oder beschädigt, einschließlich fast der gesamten historischen Altstadt. Die Einwohnerzahl war in nur knapp sechs Jahren von rund 72.500 (1939) auf nur noch 39.500 im Mai 1945 gefallen. Viele waren tot oder obdachlos.

Der zerstörte Hildesheimer Marktplatz // Stadtarchiv Hildesheim
Der zerstörte Hildesheimer Marktplatz // © Stadtarchiv Hildesheim

Zu den Obdachlosen gehörte auch meine Großmutter Therese Drzewiecki, geborene Bolle. Sie lebte sehr lange in der Altstadt in der Straße „Alter Markt 42“ in unmittelbarer Nähe der Kirchen St. Magdalenen und St. Andreas. Einen ersten Hinweis zu ihrem Verbleib fand sich in einem Vermerk in ihrem Geburtseintrag in dem Kirchenbuch in Dorstadt. Dort wurde unter Bemerkungen offenbar später folgendes eingetragen:

in Hildesheim, ausgebombt 1945 nach Dingelbe

Zu dem Zeitpunkt war meine Urgroßmutter immerhin schon 88 Jahre alt. Wo sie genau in Dingelbe gewesen ist, habe ich bisher noch nicht herausbekommen. Allerdings ist sie dann im August 1946 in Hildesheim gestorben. Die Meldung über ihren Tod kam gem. Sterbeeintrag von dem Leiter des Kranken- und Altenheims in Hildesheim.

Kirchenbuch Taufen in Dorstadt im Jahr 1857, Eintrag zu meiner Urgroßmutter Therese Bolle // © Matricula Online

Meine Urgroßmutter Therese ist aber auch diejenige, welche bisher der größte Dreh- und Angelpunkt in Sachen Kriegsgeschehen ist. Denn auch der 1. Weltkrieg hat in ihrer Familie Spuren hinterlassen. Ihr Sohn, Karl Drzewiecki, ist im Jahr 1914 als Unteroffizier im Alter von 24 Jahren in Belgien gefallen. In dem Sterbeeintrag und auch im Kirchenbuch ist vermerkt, dass er im Kriegsgeschehen um das Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 208 bei Diksmuide in Flandern (Belgien) gefallen ist und der Leichnam bei Schloss Vigogne in Belgien gefunden wurde. Alle Wahrscheinlichkeit wurde er auch Belgien beerdigt, doch bisher gibt es noch keinen Hinweis darauf, wo. Nur vier Jahre später war dann ihr Sohn August Alexander betroffen. Er taucht zunächst in einer Verlustliste vom November 1915 als zunächst vermisst, dann korrigiert auf leicht verwundet auf. Im März 1918 ist er dann als Angehöriger des Infanterie-Regiments Nr. 79 und dort der 10. Kompanie in Frankreich schwer verwundet worden und schließlich an seinen Verletzungen verstorben. Er wurde 29 Jahre alt. In seiner Sterbeurkunde ist die Schlacht bei Cambrai als Ort erwähnt. Aber auch bei ihm ist nicht klar, wo er bestattet wurde. Doch das sollte noch nicht alles gewesen: Auch mein Großvater Ferdinand war im ersten Weltkrieg. Er taucht in einer Verlustliste vom Oktober 1917 als „leicht verwundet“ auf. Aus Erzählungen habe ich noch in Erinnerung, dass immer die Rede von einem Kopfstreifschuss war, den er erlitten haben sollte. Und auch zu ihrem Bruder Albert Drzewiecki gibt es Hinweise auf eine mögliche Tätigkeit im Krieg. Am 02. Februar 1916 ist er nämlich im „Deutschen Reichsanzeiger“ erwähnt, dass ihm die „Rote Kreuzmedaille dritter Klasse“ verliehen wurde. Hier nach meiner Vermutung wohl auch für Dienste im Krieg.

Leider sollte das für meine Großmutter Therese nicht der letzte Schicksalsschlag in der Familie gewesen sein. Denn im zweiten Weltkrieg wurde ihr Enkel Theophil Drzewiecki nach Russland abkommandiert. Dort wurde er im Dezember 1942 m Alter von gerade einmal 19 Jahren als verschollen gemeldet. Das weitere Schicksal ist bis heute ungewiss. So hat mein Großvater sich Zeit seines Lebens geweigert, seinen Sohn für tot erklären zu lassen. Diese schwierige Aufgabe fiel schließlich 1986 seinen anderen Kindern nach seinem Tod zu, als sein Haus verkauft werden sollte. Mittlerweile habe ich Informationen über die Deutsche Kriegsgräberfürsorge, dass sein Name offenbar auf dem Soldatenfriedhof in Charkow im Gedenkbuch erwähnt wird. Ich hoffe hier auf weitere Informationen über den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge bzw. den Suchdienst des Roten Kreuz. Auf beiden Wegen habe ich Anfragen zu den drei Kriegsgefallenen in die Wege geleitet.  

Und all dieses ist nur die väterliche Seite, da ich auf der mütterlichen Seite noch nicht soweit in den Informationen zu den zweiten der beiden Kriege zurückdringen konnte.  

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